Steht der „Bolero“ auf dem Spielplan, kann man ziemlich sicher von einer ausverkauften Premiere ausgehen. Maurice Ravel schrieb das Tanzstück 1928 für Ida Rubinstein. Spätestens seit dem Film „Zehn – Die Traumfrau“ geht von der Musik ein erotisches Flair aus. In Gelsenkirchen gibt es den Bolero aber erst als letztes Stück eines zweiteiligen Abends.

Den Anfang macht „Shadow Waltz“ von Fernando Melo. Eine Frau sitzt auf einem Stuhl, den Kopf auf den Tisch gelegt – schlafend. Drei Männer bemühen sich sie aufzuwecken. Ihre Köpfe scheinen sich dabei wie Magnete anzuziehen. Tänzer und Tänzerin sind schwarz gekleidet und heben sich vor vier hellen Tafeln, die sich mit Tisch und Stühlen auf einer kleinen handbetriebenen Drehbühne befinden. Tänzerin und Tänzer bewegen sich wie in Trance langsam um- und miteinander. Die Tafeln werden in faszinierender Art in den Tanz mit einbezogen und tanzen mit den Menschen. Zwischenzeitlich ist eine weitere Tänzerin hinzugekommen, die teils wie eine Spiegelung der ersten Tänzerin wirkt. Die magische Stimmung wird unterstützt durch die fast hypnotischen Klänge der Musik, die kaum als Collage verschiedener Musikstücke erkennbar ist. Als Bezug zum Titel kann ich hier die fortwährende Wiederholung als Prinzip erkennen.

Nach der Pause wird Hasard & Bolero in der Choreografie von Sita Ostheimer geboten. Eine zweigeteilte Arbeit. Getanzt wird bei Hazard zu einem Klavierstück von Yehezkel Raz, das mit Teilen von Ravels Bolero arbeitet, aber durch Verlangsam und vor allem rückwärts gespielt die Komposition Ravels erkennbar macht. Nach Aussage des Programmheftes sollen so Ravels Selbstzweifel an der Qualität seines Boléros verdeutlicht werden. Vier Tänzerinnen und drei Tänzer, bilden tanzend unterschiedliche „Paarungen“ von Soli bis hin zur kompletten Gruppe. Zum Schluss bilden sich vier Paare und eine Tänzerin steht allein. Den Bühnenrahmen bilden links und rechts Leuchtstoffröhren, die immer wieder die Farben wechseln. Ein in den Raum gesprochenes Zitat von Ravel leitet über zum Boléro, den die Tänzerinnen und Tänzer mit hoher Energie unterstützt von Klatschen und Rufen darbieten. Die kraftvollen Bewegungen steigern sich genauso wie die Musik, die Tanzenden gehen an ihre Grenzen und brechen am Schluss zusammen.

Das Publikum belohnt diesen Kraftakt begeistert mit stehendem riesigem Applaus.

Hans-Bernd Schleiffer